, Silvan Hartmann - OT

Vom Assistenztrainer zum Headcoach: Wie Adriatik Kajtazi Meister Schönenwerd zum Erfolg führen will

Adriatik Kajtazi wurde bei Volley Schönenwerd vom Assistenztrainer zum Headcoach befördert – mit 36 Jahren. Wie der Kosovare mit wenig Profi-Trainer-Erfahrung, aber umso mehr Herzblut, die Herausforderung meistern will.

Eine Viertelstunde vor Interviewtermin parkiert er frühmorgens sein Auto vor der Betoncoupe-Arena, schultert seinen Rucksack, bepackt mit Laptop und Trainingsutensilien, und stellt sich entschuldigend vor: «Ich hoffe, ich bin pünktlich», sagt er und lacht herzlich.

Er, das ist Adriatik Kajtazi, 36-jährig und seit dieser Saison Headcoach von Volley Schönenwerd. Schon vor einem Jahr stiess der Kosovare zu Volley Schönenwerd, damals noch als Assistenztrainer von Johan Verstappen. Ausgerechnet also für diese geschichtsträchtige Saison, in welcher sich Volley Schönenwerd sensationell den ersten Meistertitel der Klubgeschichte holte. «Das waren schöne Momente und der Lohn für sehr gute Arbeit rund um den Verein. Ich mag den Erfolg, auf den so viele Ehrenamtliche schon so lange hingearbeitet haben, von Herzen gönnen», sagt er rückblickend.

Adriatik Kajtazi offeriert einen Kaffee, worauf er für das Gespräch Platz nimmt auf der Tribüne und zu reden, ja philosophieren, beginnt – über seinen Lebensweg, seine Aktivkarriere, seine Einstellung, seine Begeisterung und nicht zuletzt seinen umgesetzten Traum, für den Volleyballsport leben zu dürfen.

Volley-Academy in Pristina gegründet

Adriatik Kajtazi wächst in einer sportverrückten Familie in Kosovos Hauptstadt Pristina auf, «manchmal spielte ich über den Mittag Fussball und am Nachmittag Volleyball. Sport hatte mir schon früh alles bedeutet», erzählt er, dessen Vater ebenfalls professionell Volley spielte und Trainer war, wie auch sein Bruder und Onkel, die engagiert Volley spielen. Im Alter von 12 Jahren entscheidet er sich, voll auf die Karte Volleyball zu setzen und debütiert bereits drei Jahre später mit 15 für die erste Profimannschaft des damaligen kosovarischen Meisters.

In seinen weiteren Stationen in Nordmazedonien, Albanien sowie seiner Heimat wird er mehrfacher Meister. Mitten in seiner Blütezeit spielt er nicht nur für Albaniens und Kosovos Nationalmannschaft, sondern wechselt 2010 nach Lugano. Er schmunzelt. «Das waren meine ersten Erfahrungen in der Schweiz, es gefiel mir von Anfang an sehr und ich konnte auch sportlich enorm profitieren», erzählt er in fliessendem Englisch. Adriatik Kajtazi findet Freunde fürs Leben, auch Verwandte, die in der Schweiz leben, besucht er regelmässig. In der Folge lässt er sich auf ein Abenteuer in Katar ein, nicht unbedingt des Geldes wegen, sondern viel mehr, um Erfahrungen in all möglichen Volleyballwelten zu sammeln.

Schliesslich kehrt er in seine Heimat zurück, erst als Spieler, kurz darauf als Spielertrainer. Irgendwann kam der Moment, als sich Kajtazi über die Zeit nach seiner Karriere Gedanken machen musste. «Mit meiner Passion und Liebe zum Volley wurde mir schnell klar, dass ich mit dem Sport unbedingt verbunden bleiben möchte.» Er bekam noch während der Aktivzeit die Möglichkeit, in seiner Heimat die Kleinsten an seinen geliebten Sport heranzuführen, «und das, obwohl man ja eigentlich sagt, dass es für die Kleinen nicht gut ist, wenn sie einen jungen Trainer haben, weil dieser viel Geduld haben muss», witzelt Kajtazi. Es ist die Bestätigung, dass er mit einer Trainerlaufbahn alles richtig macht. Er gründet in Pristina mit seinem Vater eine Volleyball-Academy, die bei 7 bis 16-Jährigen grossen Anklang findet. «Ein Gamechanger», wie er sagt, weil er in der Folge seine Trainerlizenzen absolviert und ihm am Herzen liegt, den Volleyballsport in der Heimat aktiv voranzutreiben und etwas zurückzugeben. Bis schliesslich die Anfrage von Schönenwerds Sportchef Bujar Dervishaj kam.

Als Sportchef Dervishaj unter Kajtazis Vater spielte

Dervishaj hatte Kajtazi als kleinen Jungen kennengelernt, spielte er doch in seiner Aktivzeit unter seinem Vater. Der Kontakt blieb in Takt und vor allem ihre Wege verfolgten sie stets gegenseitig. «Ich habe das Schaffen von Bujar mit seiner Philosophie stets bewundert. Ich sehe in ihm einer meiner wichtigsten Mentoren. Ich verdanke ihm sehr viel», sagt Kajtazi. Sportchef Dervishaj wollte seinem Schützling eine Chance im Profi-Trainerwesen bieten. «Adriatik ist ein ehrlicher, loyaler Typ, bei dem der Mensch im Vordergrund steht», erzählt Dervishaj. Er schätzt insbesondere seine Akribie, jedes Training erachte er als Chance zur Weiterentwicklung. «Er hat 24/7 Volleyball im Kopf und lebt seinen Job so sehr, dass er mir zurzeit etwas leidtut, weil wir noch keinen Assistenztrainer für ihn gefunden haben.»

Adriatik Kajtazi erwartet von seinen Spielern, dass sie stets von «Wir» sprechen, «und nicht von ‹Ich›. Wir sind ein Team, das gemeinsam den Weg geht.» Die Herausforderung, dass sich nach dem Meistertitel bei Volley Schönenwerd, die wieder einen Topplatz anpeilen wollen, keinen Blues einnistet, erachtet er nicht als solche. «Erfolg ist das letzte, woran wir nun denken dürfen. Mir ist viel wichtiger, dass wir während der Saison stetig Fortschritte erzielen und unsere Leistungen steigern können. Der Prozess zum Erfolg ist das Wichtigste.»