, Raphael Wermelinger - OT

«Du kannst dir von diesem Sport nichts kaufen»: Nach zwei Profi-Jahren spielt Mischa von Burg wieder für Schönenwerd

Er gewann mit Amriswil den Meistertitel und den Cup, war 2021/22 der beste Schweizer Spieler der NLA und qualifizierte sich heuer mit der Nationalmannschaft für die EM. Nach seiner Rückkehr zu Volley Schönenwerd blickt Mischa von Burg auf seine zwei Jahre als Profi zurück und spricht über den schwierigen Einstieg in die Arbeitswelt.

«Es gibt Tage, da vermisse ich das Profi-Leben. Du hast ein bisschen weniger Sorgen, wenn du dich ausschliesslich auf den Sport konzentrieren kannst», sagt Mischa von Burg. Der 26-jährige Mittelblocker spielte die vergangenen zwei Saisons für den fünffachen Schweizer Meister Volley Amriswil. Als «coole Erfahrung» beschreibt er die Zeit im Thurgau: «Ich habe eine zweite Familie gefunden.» Im ersten Jahr wohnte er zusammen mit einem Teamkollegen in einer WG, während der zweiten Saison lebte er allein in einer Einliegerwohnung – mit «sehr lieben und herzlichen Nachbarn», wie er betont.

Obwohl er zum ersten Mal von daheim weg war, hat sich der Aargauer, der sich als Familienmensch bezeichnet, nie einsam gefühlt in der Fremde. Er könne sich einerseits gut selbst beschäftigen und wenn er die Mitspieler am Morgen und am Abend im Training und dazwischen beim gemeinsamen Mittagessen sah, war er auch mal froh, Zeit für sich zu haben zwischen den Einheiten oder am Abend. «Ich konnte in meiner Freizeit das machen, worauf ich Lust hatte, und musste auf niemanden Rücksicht nehmen», genoss er diese Momente. Einmal in der Woche fuhr er nach Hause nach Egliswil.

Volley Amriswil gilt als der professionellste Volleyballklub der Schweiz. Die Thurgauer sind das NLA-Team mit dem höchsten Budget. Dass mehr Geld vorhanden ist, zeigt sich an banalen Dingen. «Wir bekamen vor jeder Saison fünfzig neue Bälle, zehn Shirts und zehn Hosen fürs Training, dazu Trainer, Pullover und Jacken – einfach von allem mindestens doppelt so viel wie bei anderen Vereinen», veranschaulicht von Burg. «Wenn dir etwas fehlt, wird es sofort organisiert.»

Auch beim Trainingsbetrieb gibt es Unterschiede zwischen den Klubs. In Amriswil trainiert die erste Mannschaft immer in der ganzen Dreifachhalle und muss sich den Platz nicht mit anderen Equipen teilen. Da praktisch alle Spieler der Thurgauer Profis sind, finden die Abendeinheiten von 16 bis 18 Uhr statt. In Schönenwerd beginnt das Training erst um 18 Uhr, weil die meisten Spieler arbeiten oder studieren und gar nicht früher können, erklärt von Burg und fasst zusammen: «In Amriswil gibt der Sport vor, was du dafür tun musst und was du brauchst. Bei Volley Schönenwerd gibt das Leben vor, was der Sport daneben noch zulassen kann.»

In der ersten Saison passte alles zusammen

Aus rein sportlicher Sicht erlebte von Burg bei Amriswil zwei ganz unterschiedliche Jahre. In der ersten Saison gewann er mit den Thurgauern das Double aus Meistertitel und Cup und wurde als Krönung auch noch zum besten Schweizer Spieler der NLA gewählt. «Ich weiss nicht, wie man diese Saison noch hätte toppen können», schwärmt er, wenn er an die Kampagne 21/22 zurückdenkt. «Wir verloren ab Neujahr kein Spiel mehr – so macht es natürlich Spass.»

Dies änderte sich im zweiten Jahr. Es kriselte plötzlich beim amtierenden Meister. Amriswil qualifizierte sich erst am letzten Spieltag der Qualifikation für die Playoffs und musste im Cup im Halbfinal die Segel streichen. Obwohl sich das Kader im Vergleich zum Vorjahr kaum verändert hatte, geigte das Zusammenspiel nicht mehr. «Wenn du an einem Ort arbeitest, wo du nicht gerne hingehst, ist jeder Tag mühsam. Jeder Spieler ist angespannt, das Nervenkostüm dünn. Da muss nur das Kleinste passieren, und schon ist wieder einer hässig. Es schaukelt sich alles hoch», erklärt von Burg.

Nach einem Trainerwechsel besserten sich die Stimmung im Team und auch die Leistungen auf dem Feld. Es reichte aber nicht mehr, um die Saison noch herumzureissen. «Der erste Teil der Meisterschaft hat uns gebrochen», sagt von Burg. Im Playoff-Final gegen Schönenwerd fiel das Team nach einer 2:0-Führung in alte Muster zurück und gab die Best-of-5-Serie aus der Hand.

«Nach der 0:3-Heimniederlage im vierten Spiel wusste ich, dass wir keine Chance mehr haben», so von Burg. «Wir spielten richtig schlecht. Ich hatte den Eindruck, dass jeder Angst hatte zu versagen. Wir waren einfach kein richtiges Team mehr. Ich fühlte mich in die erste Saisonhälfte zurückversetzt.»

Obwohl sie ihm den Gewinn des zweiten Meistertitels vermiest haben, gönnt er den Schönenwerdern den Finalsieg im Rückblick. Dass er die Seiten auf die neue Saison hin wieder wechseln würde, drang im Verlauf der Finalserie an die Öffentlichkeit. Von Burg hatte für sich bereits um Neujahr herum entschieden, Amriswil zu verlassen und kommunizierte dies dem Klub dann auch frühzeitig. Doch wie weiter? Weil die Stimmung in der Mannschaft zu diesem Zeitpunkt derart schlecht war, überlegte er sich sogar, mit dem Sport aufzuhören.

Die perfekte Kombination aus Arbeit und Sport

Zum Glück hat sich der Zwei-Meter-Hüne, den jeder NLA-Klub mit Handkuss nimmt und der auch in der Schweizer Nationalmannschaft eine tragende Rolle innehat, anders entschieden. «Ich wollte wieder in meine Heimat», stand für ihn fest. Er war zur Erkenntnis gelang, «dass du dir von diesem Sport nichts kaufen kannst. Es ist cool als Profi. Du kannst deinen Lebensunterhalt mit Volleyball verdienen, mehr aber auch nicht.»

Im Sommer zwischen den beiden Saisons bei Amriswil arbeitete der gelernte Zimmermann temporär auf dem Bau. «Sie hatten Freude an mir und boten mir einen Job im Büro an.» Etwas mehr als ein halbes Jahr später fasste er daher den Entschluss, seine Berufskarriere voranzutreiben, nachdem er die Möglichkeiten als Profi-Sportler zwei Jahre lang ausgelotet hatte. Mittlerweile arbeitet er hundert Prozent für die Baufirma. Er war zuerst skeptisch, ob daneben noch Zeit für Volleyball auf NLA-Niveau bleiben würde. Es sei vielleicht «too much beides zusammen».

Aber Volley Schönenwerd wollte ihn unbedingt zurückholen und ermöglichte vier Abendtrainings. «Es ist eine coole Lösung. Ich arbeite voll, wie ich es wollte, und kann immer noch spielen – es macht mir halt schon viel Spass», hat sich von Burg offenbar richtig entschieden, denn er wirkt zufrieden. Der Weg vom Arbeitsort ins Training ist kurz, mit dem Auto eine Viertelstunde von Oberentfelden zur Betoncoupe Arena. Der Heimweg ist indes etwas länger. Von Burg wohnt seit kurzem zusammen mit seinem Bruder in Seengen, das sind dann doch ein bisschen mehr als zwanzig Kilometer.

Lieber Ferien machen, statt im Ausland zu spielen

Nach Schönenwerd und Amriswil hätte der nächste logische Karriereschritt eigentlich auch das Ausland sein können. Doch im Gegensatz zu seinen Mitspielern Reto Giger und Luca Ulrich, die sich beide in europäischen Ligen versucht haben, war dies für von Burg nie ein Thema: «Das klingt vielleicht doof, aber ich fühle mich wohl in meiner Komfortzone. Und wenn ich ein Land sehen will, kann ich dort ja Ferien machen.»

Für Ferien blieb heuer allerdings keine Zeit. Vor der Rückkehr zu Schönenwerd fand von Ende August bis Mitte September die EM statt. Doch fünf Wochen vor dem Start des Turniers zog sich von Burg einen Muskelfaserriss im Oberschenkel zu. Trotzdem reiste er mit der Nationalmannschaft nach Italien. «Ich war quasi der zweite Assistenztrainer», beschreibt er seine Rolle. «Dass ich von draussen hilflos zuschauen musste, war sehr schwierig für mich.»

Mittlerweile ist die Verletzung ausgeheilt, die neue Saison läuft seit fünf Wochen. «Schöni» startete mit Siegen gegen Amriswil und Luzern in die Mission Titelverteidigung, zuletzt setzte es Niederlagen gegen Lausanne und Chênois ab. «Wir wären eigentlich sehr gut, aber wir bringen es noch nicht auf den Platz», ist von Burg noch nicht zufrieden. «Jetzt hatten wir ein spielfreies Wochenende, wir konnten gut trainieren und ich hoffe, dass wir in den nächsten Spielen zeigen, was wir draufhaben.»

Mischa von Burg kehrte nach zwei Profi-Jahren zu Volley Schönenwerd zurück (oltnertagblatt.ch)